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Weiße Weihnachten in Köln

von Sofie Meys

 

 

Es ist doch jedes Jahr wieder dasselbe! Trotz aller Gegenmaßnahmen kommt kurz vor dem Fest der fast schon traditionelle Weihnachtsstress auf!
Als dann aber einen Tag vor Heilig Abend alle Geschenke verpackt und die Festtagsvorbereitungen beinahe zum Abschluss gebracht worden sind, fehlt nur noch eins zum perfekten Weihnachtsfest: Schnee!
Die Temperaturen waren in den letzten Tagen außerordentlich mild gewesen. Schon seit mehr als 25 Jahren gab es hier in dieser Gegend keine ‚Weiße Weihnacht’’ mehr.
Doch hatte es sich an diesem Nachmittag deutlich spürbar abgekühlt. Gegen 23 Uhr, als im Hause alles ruhig bleibt, schlüpfe ich in meine Winterstiefel, nehme meine wärmste Winterjacke vom Haken, wickel’ mir einen warmen Schal um den Hals und stülpe mir dicke wattierte Handschuhe über. Dann schleiche ich leise aus dem Haus. Die Straßen sind um diese Zeit menschenleer, die Uhr auf dem Kirchturm zeigt halb zwölf.
Nach ein paar Minuten erreiche ich die Felder und schlagartig werde ich von Dunkelheit umhüllt. Keine Straßenlaterne beleuchtet hier noch  meine Wege und mutig schreite ich dem Wald entgegen.
Als der Waldrand schließlich vor mir auftaucht, schleicht Angst in mir hoch.
Aber umkehren geht nun nicht mehr. Intuitiv weiß ich, dass ich weitergehen muss und ignoriere die aufkommende Angst. Die Feuchtigkeit des Auenwaldes scheint in der Luft zu gefrieren, so kalt ist es inzwischen geworden. Ich bin heilfroh über meine warmen Handschuhe. Hier auf dem großen Hauptweg fühle ich mich nicht sicher genug, also biege ich rechts ab und erreiche einen kleinen Pfad, der zum Fluss hinunter führt.
Leise Geräusche dringen aus dem Wald an mein Ohr. Ein Instinkt sagt mir, dass keinerlei Gefahr von ihnen ausgeht. Es ist höchstens eine Maus oder irgendein anderes Tier, das wie ich, nicht an schlafen denken will.
Unten am Fluss steht eisiger Nebel dicht über dem Wasser. Es ist windig und so sehne ich mich schon bald nach der Geborgenheit des Waldes zurück. Vom Laufen ist mir schön warm geworden und der nächtliche Spaziergang beginnt richtig Freude zu machen.
Mit einem Gefühl von Weihnachten im Herzen steige ich auf den höchsten ‚Berg’ des Auenwaldes, der aus einem aufgeschütteten Haufen Kies besteht. Oben angekommen, kann ich den Fluss mit seinem schimmernden Glanz sehen. In meinem Rücken wachsen schützend einige mächtige Lebensbäume, die hier eigentlich nicht hingehören, wie der Förster einmal bei einer Führung durch den Wald erzählt hatte. Sie wurden von einem seiner Vorgänger gepflanzt.
Vor mir erstreckt sich eine Anpflanzung aus niedrigen Sträuchern und noch jungen Bäumen, die schon bald die Sicht vom Kiesberg aus versperren werden. Ich atme tief ein und entspanne mich. Dabei spüre ich, wie Freude tief aus meinem Inneren an die Oberfläche strömt.
Kindheitserinnerungen drängen sich in mein Bewusstsein.
Eine dunkle Winternacht, die Vorfreude auf das Fest, das lange Warten auf die Bescherung und der Klang der Stimme meiner Großmutter, die in der gemütlichen Stube ein Weihnachtslied anstimmt.
Aus der Ferne höre ich die Kirchuhr schlagen. Es ist Mitternacht. Die Nacht vor der Heiligen Nacht!
Ich schaue über mir in den dunklen Himmel und sehe etwas auf mich zufliegen. Eine weiche federleichte Schneeflocke fällt genau auf meine Nasenspitze. Ich lache vor Freude wie ein kleines Kind und strecke die Hände zum Himmel, aus dem sich nun unzählige dicke Schneeflocken zu lösen scheinen.
Es schneit, es schneit!
Immer dichter fallen die Flocken nun und in Sekundenschnelle legt sich eine dünne weiße Schicht auf den Wald. Die Lebensbäume sehen zuerst noch wie eingepudert aus, bis aus ihnen eine riesige weiße Wand wird. Ich jauchze leise und fange an, mich zu drehen, dann laufe ich, so schnell ich kann, den Kieshügel hinab, erreiche nach Luft schnappend den kleinen Waldweg und wandere fasziniert durch den hell gewordenen Wald. Es ist einfach unglaublich. Ein Wunder!
Weiße Weihnachten, hier bei uns! Wie ist das möglich?
Glücklich setze ich meinen Spaziergang fort. Es muss inzwischen schon weit nach Mitternacht sein und daher Zeit, den Rückweg anzutreten.
Bevor ich in mein Bett gehe, schaue ich noch ein letztes Mal aus dem Fenster und lächele selig beim Anblick der weiß verzauberten Landschaft.
Als ich am nächsten Morgen aufwache und das Fenster aufreiße, glänzt die Straße nass und grau. Keine Spur mehr von der weißen nächtlichen Pracht. Ich werde doch nicht alles nur geträumt haben? Ein wenig traurig gehe ich nach unten. Im Bad finde ich meine Winterstiefel. Sie stehen in einer kleinen Wasserlache. Glücklich lächele ich vor mich hin. Hatte am Ende nur ich allein diese weißen Weihnachten erlebt? Ganz verzauberte weiße Weihnachten! Letzte Nacht.
In der Nacht vor der heiligen Nacht.

 

P.S. wie sich die Zeiten (und das Wetter) doch ändern! Diese Kurzgeschichte entstand im Jahr 2008, dieser Tage hat sich die Situation grundlegend geändert und die Zeit der warmen, schneelosen Winter scheint endgültig vorüber zu sein....

 

 

 

 

 

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